Ganz grün hinter den Ohren starteten wir in die Huskywoche. Nach einem extrem schönen ersten Eindruck von Helsinki bzw. Finnland ging es erst mit dem Flieger eine Stunde weiter in den Norden, nach Lappland. Leider entschieden wir uns für eine Taxifahrt zum Flughafen, was ein riesiges Loch in unsere Reisekasse riss, uns aber auch eine Menge Stress ersparte. Vielleicht lag der hohe Preis auch daran, dass wir aus Versehen einen Bus statt ein Auto orderten. Überrascht von dem wunderschönen Flughafen und der extrem guten Stimmung dort (das Sicherheitspersonal machte sogar Smalltalk) startete unser einstündiger Flug. Im Flieger lernten wir eine Finnin kennen, die uns von dem Lapplandvirus erzählte. So verlieben sich laut ihr viele Leute in die wahnsinnig schöne Landschaft.
Schon beim Anflug zeigte sich so Lappland von seiner besten Seite. Millionen von verschneiten Bäumen in einer unendlich weiten Landschaft, unterbrochen von vereisten Seen, zeigten sich. Wir waren jetzt schon begeistert! Vom Bus aus sahen wir dann auch noch einen knall orangen Sonnenuntergang und schnell waren wir überzeugt, die nächsten Tage werden der Hammer! Mit -27 Grad begrüßte uns das Äkäskero Huskycamp und wir bekamen einen kleinen Vorgeschmack, wie kalt es die nächsten Tage noch werden würde. Extrem schöne Holzhütten mit einem Holzofen und einer Fasssauna warteten auf uns. Die Hütten teilten wir uns mit drei anderen Teilnehmern, die auch die bevorstehende Tour buchten. Die Charaktere hätten nicht unterschiedlicher sein können. Die taffe angehende Polizistin, der viel reisende ITler und der hartgesottene französisch-schweizerische Holzfäller, dem nie kalt war, waren Teil unserer Gruppe. So brauchte es ein bisschen, bis sich rege Gespräche aufbauten. Doch die nächsten Tage schweißten uns schnell zusammen und wir waren am Ende der Tour schon fast wie eine kleine Familie.
Um neun Uhr startete unser erster Tag mit den Hunden. Eingepackt mit speziellen Anzügen, Handschuhen und Schuhen, die wir vom Camp bekamen, marschierten wir nicht gerade grazil zu unseren Schlittenhunden. Wir waren uns alle einig, so eingepackt fühlt es sich an, als ob wir eine Reise auf den Mond oder eine Mount Everest Expedition vorhätten.
Unsere Hunde für die nächsten Tage warteten schon auf uns und jeder suchte sich eine vierer Gruppe mit Schlitten aus. Ich hatte großes Glück und entschied mich für die „schmusige Hundegruppe“. Die Namen meiner Hunde waren Inu, Uriah, Alma und Buffin. Flo seine Truppe war mehr die sportliche, deren Namen waren Loni, Saivo, Mo Mo und Kaamos. Unser Guide erklärte uns kurz die Schlitten und das war es dann auch schon mit der „ausführlichen“ Einweisung. Ein paar Regeln: Niemals den Schlitten loslassen, sich auf die Hunde konzentrieren, die Hundeschlittenstellung, wie ich sie nannte, einnehmen (wie im Ballett die Fersen zusammen und diese auf die Bremse zwischen den Kufen stellen). Zum Anhalten gab es noch eine große Bremse vorne in der Mitte, die ich des Öfteren verwenden musste. Denn je weniger Gewicht man hat, umso schwerer ist das Lenken der Hundeschlitten. Dies musste ich leider bald am eigenen Leib erfahren.
Die nächsten Tage bestanden aus täglichen 40 km und je nach Wetterverhältnissen ca. sechsstündigen Touren. Wobei die erste Tour wieder zurück ins Camp ging. Für den Start sicherlich nicht schlecht. Manche mussten die Hunde noch tauschen und ich war froh noch einmal einen neuen Anzug zu bekommen! Warum? Naja, meine Hunde nahmen eine Kurve sehr eng. Bei den Anderen ging das gerade noch gut und bei mir eben nicht. So hieß es Abfahrt in den Fluss. Ich hatte keine Chance, den kippenden Schlitten noch zu halten und plötzlich lag ich im Nassen bei fast minus 30 Grad. Die letzten zwei Stunden fuhr ich also im Nassen und in Eisklumpen geformten Schuhen umher. Das brachte mit sich, dass das Ausziehen der Schuhe am Ende des Tages nur mit heißem Wasser möglich war. Zwischenzeitlich dachte ich, ich hätte meine Zehen verloren, aber zur Beruhigung, diese sind bis heute noch alle dran. Dank Flo, der hinter mir fuhr und mich ganz ungläubig im Wasser liegend vorfand, war ich nicht ganz untergetaucht. Kaum vorstellbar, wie kalt es gewesen wäre, wenn ich bis zum Hals drinnen gelandet wäre. Zu Dritt und mithilfe der Hunde schafften wir es mich wieder auf den Schlitten zurückzubefördern und den Tag ohne größere Schäden abzuschließen.
Am nächsten Tag ging es richtig los. Vier Tage waren wir unterwegs. Jeder war an diesen Tagen für seine Hunde selbst verantwortlich und wir lernten mit der Zeit das Handling mit den Schlitten und die Versorgung der Tiere. Schön langsam spielte sich die Gruppe ein und wir wussten genau, wie lang es dauerte, bis die Schlitten zum Stehen kamen, wann man stehen bleiben musste (Toilettengänge der Hunde, Frost an den Pfoten oder das geliebte Verheddern der Leinen). Eine der größeren Herausforderungen waren sicherlich das morgendliche Anleinen und der Start der Hunde. Hier merkte man, wie viel Energie diese hatten. Die sonst so verschmusten Hunde drehten hier gerne durch und dachten nur an das Eine! Laufen, Ziehen und nochmal Laufen! Auch die Eigenschaften der einzelnen Hunde nahmen wir schnell wahr. Buffin der verschmuste Grummelbär, Inu der aufgedrehte freche Schmuser, Uriah die energievolle Leaderin, die bei jedem Stopp sich um alle anderen Hunde drehte und einem gerne auf der Nase herumtanzte und Alma die treue Seele, die den Schlitten auch bei gedrückter Bremse einem fast unter den Füßen wegzog.
Bei Sonnenaufgang, der hier um ca. neun Uhr war, starteten wir täglich und als es wieder dunkel wurde, um ca. vier Uhr nachmittags, kamen wir mit den Hunden meistens am Etappenziel an. Hunde ableinen, Schlitten abstellen und schon ging es weiter mit der Arbeit in den jeweiligen Hütten. Jeden Tag hatte ein Gruppenmitglied eine spezielle Aufgabe. Da gab es den Wasserversorger und Feuermacher, den Metzger, der Fleisch für die Hunde mit der Axt hackte und die Köche bzw. Abwäscher. Schwer zu sagen, was der bessere Job war. Jedoch nahm das Kochen definitiv die längste Zeit in Anspruch und war nicht sonderlich beliebt. Wahrscheinlich, weil alle mit einem Bärenhunger und sich, mit gewissen Erwartungen an den Essenstisch saßen und man diesen natürlich gerecht werden wollte. Das Zerhacken von Fleisch für die Hunde, vor allem das zähe steinharte Hühnchen mit Fett, konnte prima als Aggressionsbewältigungstherapie verwendet werden und war, wie man sich denken kann, in der Gruppe auch nicht sonderlich beliebt. Großer Luxus waren für alle, da waren wir uns einig, die täglichen Saunagänge am Abend und das Feuer in der Hütte. Durch die klirrende Kälte draußen und die täglich schmerzenden Finger und Zehen hatte dies einen extrem großen Stellenwert und war während der langen Fahrten im Kalten immer eine Motivation. Nur einen Tag hatten wir sommerliche Temperaturen bei minus drei Grad. Die restlichen Tage war es immer so kalt, dass bei dem Schließen der Augen diese zufroren und meine Haare innerhalb von Sekunden schockgefrostet waren. Teilweise fühlten sich die Fahrten so lange an, dass es zu einer kleinen mentalen Herausforderung wurde. Gegen die Kälte halfen immer wieder kurze Hampelmänner oder Kniebeugen bei den Pausen. Gefrorene Finger waren aber mit Abstand das Schlimmste und konnten nur durch ständiges Bewegen am „Leben gehalten“ werden. Was wir auch erst so richtig nach dieser Reise zu schätzen lernten, war ein warmer Toilettensitz. Die freien Toiletten bei solchen Temperaturen machten keinen Spaß und luden definitiv nicht zum längeren Verweilen ein :D.
Nach unseren, wie bereits oben beschriebenen, abendlichen Ritualen, hieß es mit einem warmen Tee und vollen Magen in das Lagerfeuer zu starren und einfach die Ruhe zu genießen, bis die Augen nicht mehr wollten und wir tot müde ins Bett fielen. Wir hatten außerdem eine Art Nordlichter Patrouille, die sich als äußerst effektiv herausstellte. Mit verschiedenen Weckern ging es für jeden einmal mit sehr müdem Gang nach draußen und wir sagten den anderen Bescheid, wenn wir etwas sahen. Und siehe da, wir hatten drei Tage hintereinander Glück und sahen dieses unglaublich schöne Naturphänomen trotz intensiv strahlendem Vollmond.
Generell brachte jeder Tag neue Herausforderungen. Waren es steile Stellen, die man neben den Schlitten laufend bewältigen musste, um die Hunde zu unterstützen, der Tiefschnee, der mit den Beinen vom Schlitten alle fünf Sekunden weg geschoben werden musste, um nicht zu bremsen oder die hügelige und vereiste Landschaft die den Schlitten ordentlich hin und her riss. Wir sind stolz, diese Tage als Gruppe und auch selbst gemeistert zu haben. Vor allem war es für Flo, der eigentlich zuvor eine extreme Hundeangst hatte, eine positive Erfahrung. Die Huskys machten es einem leicht, diese zu mögen, da sie oftmals so verschmust waren, dass sie einen dabei umwarfen. Sogar die Küsschen, trotz der Tatsache, dass sie ihre eigenen Exkremente aßen, akzeptierten wir und schlossen unsere treuen Begleiter ins Herz.
Neben dem Fahren an sich war die Landschaft von Lappland ein absolutes Highlight. Wir sind uns einige, dass wir noch nie eine so wunderschöne, winterliche Natur sahen. Der im Sonnenaufgang glitzernde und unberührte Schnee, die Bäume die ein Kunstwerk für sich waren, der Mond der am Morgen von einem lila/rosa Mantel umhüllt war, und die gefühlt niemals endenden strahlend orangen Sonnenauf- und Untergänge sind einige der unglaublichen Eindrücke, die wir die letzten Tage machen durften und kaum in Bildern einzufangen waren.
Nach unserem erfolgreichen Abschluss der Huskytour, waren wir alle mehr als erleichtert. Die Tatsache, dass es so kalt war, die körperlich anstrengenden Passagen, das nicht immer ganz leichte Handling mit den Hunden, kombiniert mit unserem etwas ruppigen Guide, waren Gründe, warum es uns mit großer Freude erfüllte, als wir das Camp erreichten. Zum Abschluss hieß es zusammen im Jacuzzi bei Schneefall zu sitzen und die letzten Tage Revue passieren zu lassen. Was für eine wunderschöne und aufregende Woche!
Hier gibts die Bilder zur Geschichte
Interessante Fakten
- Als Lappland wird meist der im nördlichen Polarkreis befindliche Teil von Skandinavien bezeichnet. ( finnisch, schwedisch, norwegisch und russisch Lappland)
- Die Urbevölkerung Lapplands wird als Sami (indigenes Volk) bezeichnet und umfasst ca. 4 % der Bevölkerung.
- Alle Rentiere sind im Besitz der Samen.
- Füchse, Elche, Wölfe aber auch Braunbären sind in Lappland zu finden.
- In Lappland leben mehr Rentiere als Menschen.
- Ca. 4000 Huskys nennen ihr zu Hause Lappland.
- Die Luft in Lappland ist eine der reinsten der Welt und die Bäume können dort bis zu 300 Jahre werden.
- Huskys werden bis zu 15 Jahre alt. Man unterscheidet sibirische von Alaskahuskys.
- Alaskahuskys wurden extra gezüchtet um einen optimalen Schlittenhund zu bekommen. Es wurden hier Wind- und Jagdhund gekreuzt.
- Huskys können bis zu 160 km an einem Tag laufen.
Wirklich warme Kleidung einpacken! Merinowolle stellte sich als effektiv heraus. Auch Wärmepads für die Hände und Füße sind zu empfehlen!
Empfehlung
Äkäskero Huskeycamp- Hunde die bis ins Lebensalter glücklich sein dürfen.
Griass eich😀. Ich freue mich immer wieder deine tollen Berichte zu lesen,und die Fotos von diesem unglaublich schönen Land zu sehen.