Unsere letzten Tage in Argentinien wollten wir nochmals in den Bergen verbringen. Bariloche ist der perfekte Ausgangspunkt für Touren und weil wir das patagonische Wetter nochmals so richtig spüren wollten planten wir eine mehrtägige Wanderung über alpines Gelände von Colonia Suiza nach Pampa Linda. Ihr habt noch nie davon gehört? Wir bis dahin auch nicht. Abgelegen und wild soll es sein. Unsere größten Bedenken waren das Wetter, denn Patagonien ist kalt und windig. Und vor allem ist das Wetter so wechselhaft, dass es sich innerhalb von Minuten von Sonnenschein zu stürmischem Regenwetter ändern kann. Die Tage zuvor verbrachten wir in unserer Wohnung in Bariloche und erledigten die bereits bei der letzten Wanderung beschriebenen aufwendigen Vorbereitungen. Neuer Versuch! Fertig gepackt waren wir voller Erwartungen und Abenteuerlust .
Nachdem wir das Ok von der Rangerstation bekamen, konnte uns nichts mehr aufhalten um ein einmaliges Trekkingabenteuer zu erleben. Mit schweren Rucksäcken und einem geliehenen Zelt, dass so einige Jahre auf dem Buckel hatte, starteten wir Vormittags unseren ersten Wandertag. Unser erstes Ziel: das Refugio Italia. Eine kleine dunkelrote Steinhütte mitten im felsigen Gebirge. Daneben die malerische Laguna Negra. Gemütlich ging es einige Zeit am Fluss entlang, unser Rücken und die Knie kamen aber schon hier auf ihre Kosten, denn das Gewicht der Rucksäcke machte schon gerade Strecken zu einem Workout der Extraklasse. Als dann Flo noch bemerkte, dass er das Olivenöl für das Anbraten der Zwiebeln vergessen hatte und es für uns immer steiler wurde, mussten wir schnell feststellen: Diese Wanderung wird nicht leicht! Jeder Schritt glich einem Crossfittraining, aber jede Kniebeuge mit Gewicht brachte uns auch immer ein Stückchen weiter nach oben. Die Aussichten wurden immer besser. Glitzernde Felsen, ein Wasserfall der die Wanderwege ziemlich nass machte und Gleichgewichtsübungen über die Bachmündungen erforderte, zusammen mit meterhohen Felswänden. Das alles motivierte zum Weitergehen. „Flo ich glaube wir sind hier nicht mehr richtig?!“ stellte ich fest als wir beide nach drei Stunden im abschüssigen, gerölligen Gelände standen und steil nach oben, ohne Wegmarkierungen kraxelten. Das stand aber nicht in der Beschreibung?! Stellten wir fest und zum Glück drehten wir bald um und fanden nach einem abenteuerlichen Abstieg, oh Wunder, einen normalen und vor allem den richtigen Weg. Nach steilen Serpentinen erblickten wir dann auch unseren heutigen Zeltplatz. Trotz vorhandener Hütte hieß es heute bereits draußen im Zelt schlafen. Wir mussten testen, ob das uralte Zelt und die windigen Schlafsäcke für die nächsten Tage geeignet sind und auch in der Abgeschiedenheit ihre Zwecke erfüllen können.
Ganz anders als bei uns daheim war die Schutzhütte bereits alles andere als warm. Was bei uns meist ein wohlig warmer Zufluchtsorts ist, war hier eine Gefriertruhe. Ohne warmen Tee oder heißer Schokolade hielt man es dort nicht aus. Auch die Haube, Handschuhe und die dicke Winterjacke konnten wir nicht ausziehen und waren nur ein Tropfen auf den heißen ( oder besser gesagt kalten) Stein. Zitternd saßen wir schon in der Hütte. „Wie wird dann diese Nacht im Zelt?“ fragten wir uns. Die Temperaturen fielen diese Nacht unter die null Grad Grenze, der patagonische Wind tat sein Bestes und die Böen waren so unendlich laut, dass neben der Kälte auch der Lärm uns um unseren Schlaf brachte. Wir mussten Nachts feststellen, dass die geliehene Ausrüstung, die uns als super angepriesen wurde, definitiv nichts für dieses Wetter war. Und so kämpften wir uns zitternd durch die Nacht. Unsere Zehen waren Eisklumpen und unser Gesicht so kalt , dass wir dieses auch nicht mehr spürten. An Schlafen war keine Minute zu denken. In dieser Nacht beschlossen wir bereits, dass es gefährlich wäre mit dieser Ausrüstung weiter zu gehen, vor allem weil es die nächsten Tage noch kälter werden sollte. Aber auch der Wind würde in diesem Gebiet extrem zunehmen (90km/h). Dies war bereits am Morgen beim Kochen von Porridge ein Problem, da uns das Feuer trotz Schutz ständig ausging. So hieß es für uns auf zum Abstieg. Tagestouren hören sich doch auch ganz gut an! Und so saßen wir zufrieden ein paar Stunden später in der Unterkunft, als es draußen stürmisch zu regnen begann. Wir trafen die richtige Entscheidung, was für ein Glück!
Nachdem wir zwei Tage mit schwerem Gepäck und völlig durchgefroren unseren zweiten Versuch einer mehrtägigen Wanderung über Bord werfen mussten, beschlossen wir den nächsten Tag etwas ruhiger angehen zu lassen. Unsere Gastgeber Christian und Sergio waren so herzlich, dass Sie uns eine Stadtführung anboten. Das konnten wir natürlich nicht ablehnen. Mit dazu gab es einen gratis Spanischsprachkurs, denn Englisch reden konnte Sergio nicht. Wir waren beide hin und weg als wir über enge Passstraßen die Umgebung von Bariloche zu sehen bekamen. Jetzt verstanden wir warum dieser Ort als argentinische Schweiz bezeichnet wird und so manch berühmte Leute hier ihren Ferienwohnsitz haben. Wald so weit das Auge reicht, dunkelblaue Seen die durch den Wind wie Meer wirkten und Berge aus Granit, schöner geht es nicht. Nachdem wir dann noch den Biergarten zusammen mit Sergio besuchten, wo es Selbstgebrautes mit Papas also Pommes gab, fielen wir trotz Wanderpause glücklich in unser Bett. Mittlerweile fühlte sich die Wohnung im Nebengebäude der Beiden wie ein zu Hause an, was uns extrem gut tat.
Natürlich verbrachten wir unseren letzten Tag nochmals in den Bergen. Es sollte eine etwas längere und anspruchsvollere Tour werden, schließlich wartete einen Tag später eine 17 stündige Busfahrt nach Santiago de Chile auf uns. Frühmorgens starteten wir also unseren letzten vollen Tag in Argentinien. Es ging rauf zum Refugio Frey und dann noch weiter auf ein Plateau namens Cancha de Fúbol. Zu unsere Enttäuschung startete die Wanderung im Skigebiet von Bariloche, was im Sommer ziemlich trist aussah. Und so glaubten wir, dass diese Wanderung nicht die Schönste wäre. Zu unserem Erstaunen waren wir jedoch nach nicht einmal zehn Minuten mitten im Gebüsch mit Blick auf einen der weitläufigen wunderschönen Seen. Schnell mussten wir die Sonnenbrillen auspacken und es ging mit dem T-shirt weiter. Der Wind wehte angenehm und brachte die Äste und Gräser, während der aufgehenden Sonne, ordentlich zum Tanzen. Mit einem breiten Grinsen folgten wir den Weg weiter bergauf und hörten plötzlich ein lautes Klopfen. Siehe da, ein Magellanspecht, der rotköpfige Riesenspecht ist ziemlich beeindruckend. Dieser lang ersehnte Vogel ist typisch in Patagonien und wir sahen ihm zu, als er energisch mit dem Schnabel nach potentiellem Fressen die Baumrinde absuchte. In einem ordentlichen Tempo ging es weiter, denn aufgrund der letzten Wochen steigerten wir uns konditionell sehr schnell. Aber auch die Tatsache, dass diesmal kein 12-15 Kilo schwerer Rucksack wie ein Stein an unserem Rücken hing und die Hüftknochen ordentlich wund rieb, waren sicherlich Gründe für unseren flotten Gang. Zu unserem Glück sahen wir später erneut Riesenspechte, die eifrig umherflogen. Nach zwei Stunden lichtete sich dann endlich der Wald und wir standen vor einer gigantisch schönen Felswand und kurze Zeit später vor einer kleinen Steinhütte mit rotem Dach. Seilschaften am Felsen waren bereits fleißig am klettern und Leute bauten ihre Zelte auf und ab. Für mich sah es nach einem (kalten) Paradies aus. Dieser Ort sollte aber nicht unsere letzte Station für heute sein. Vorbei an einer Sumpflandschaft, einem kleinen Fluss und der Laguna Schmoll kamen wir den umliegenden Granittürmen immer näher. Bald hieß es weg mit den Wanderstöcken. Fest zupacken hieß es jetzt, als wir über abschüssiges Gelände, zugefrorene Granitblöcke und rutschiges Geröll mussten, um weiter nach oben zu gelangen. Ich war stolz, dass Flo seine Höhenangst überwinden konnte und so die schwierigen und ausgesetzten Stellen ohne Probleme meisterte. Oben angekommen wurden wir mit einer gigantischen Aussicht über den Nationalpark Nahuel Huapi belohnt. Wir fanden einen super Stein zum hinlegen und genossen, aufgrund der Kälte, dick eingepackt unsere Käsesemmeln und Oreokekse an diesem wunderschönen strahlenden, aber windigen Herbsttag. Genau diese Einfachheit machte diesen Moment perfekt, denn wenn man eines lernt auf Reisen, es braucht nie viel um glücklich zu sein. Da reicht schon ein kleines Fleckchen Erde nur für sich allein.
Zurück machten wir noch einen Stopp in der Hütte und probierten eine selbstgemachte Pizza, die jedoch kaum mit solch einer wie wir sie kennen zu vergleichen ist. Triefend viel Käse und ein keksähnlicher Boden waren dort die Interpretation einer Pizza. Aber nach einem anstrengenden Tag trotzdem ein absoluter Hochgenuss. Nach einem interessanten Austausch mit einem Kletterer, war ich wieder Feuer und Flamme für diesem Sport und dachte an Kambodscha, als ich das Glück hatte wieder einmal am Felsen klettern zu können. Ich bin mir sicher hier komme ich irgendwann wieder her, aber dann mit einem Seil im Gepäck.
Da heute noch mehr auf den Programm stand beeilten wir uns die heutigen 25 Kilometer und über 1000hm „hinter uns zu bringen“. Christian und Sergio luden uns bereits am Tag zuvor zu einem Abendessen ein. Aus der einen Haustüre raus, rein in die Nächste. Es fühlt sich schon an als würden wir unsere Nachbarn besuchen, denn mittlerweile hatten wir eine enge Bindung zu den tollen Paar aufgebaut. Die Zwei gaben sich richtig Mühe und tischten uns zu erst eine riesige Vorspeisenplatte mit Wurst und Aufstrichen auf, dazu gab es Aperol Spritz und Gin Tonic. Der Alkohol machte sich nach diesem sportlichen Tag schnell bemerkbar. Wir unterhielten uns mit englisch- spanischem Gemisch und fanden lustige Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Lebensweisen in Argentinien und Europa. Wir kamen außerdem in den Genuss von spanischer Musik und natürlich gab es vino tinto (Rotwein). Ein typischer Auflauf, der aus Hackfleisch, Käse, Rosinen und Ei bestand und ein Dessert mit Erdbeeren durfte auch nicht fehlen. ALSO wie man lesen kann es ging uns sehr gut. Nachdem wir dann als Betthupferl zu einem Champanger und Matetee-Tasting überredet wurden, wurde es schnell zwei Uhr Morgens. Was für ein schöner Tag! Todmüde schlupften wir ins Bett und wachten sehr wehmütig auf diesen Ort verlassen zu müssen. Zum Abschluss gab am nächsten Tag ein saftiges Steak und Grillkäse und wir wurden wieder Zeuge, wie schnell Einheimische eine Rotweinflasche und einen riesigen Haufen Pommes mit Fleisch bereits Mittags im Rekordtempo verschlingen konnten.
Nach einer festen und liebvollen Verabschiedung, hieß es auf in die Hauptstadt von Chile! Tschüss zu den wahrscheinlich liebsten und herzlichsten Leuten in Bariloche. Wir sehen uns dann wieder bei uns zu Hause, da sind wir uns sicher!
Hier gibts die Bilder zur Geschichte
Interessante Fakten
- Der Magellanspecht gehört zur größten Spechtart (Picidae) dieser Welt. Zu dieser Art gehört auch der Elfenbein- und Kaiserspecht. Diese wären noch größer, werden aber als ausgestorben betitelt. Der leuchtend rote Kopf des Magellanspecht ist die Kennzeichnung eines Männchens.
- Der Matetee ist in der Kultur Argentiniens kaum weg zu denken. Matetee wird traditionell aus einem ausgehölten Flaschenkürbis getrunken (moderne Varianten sind gängig). Es wird aus einer Bombilla (Trinkhalm) getrunken. Diese hat ein Sieb am unteren Ende und verhindert das Ansaugen der losen Teebestandteile.
- Bariloche galt zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs als ein Zufluchtsort für viele Nazis.
Bariloche verfügt über ein perfekte Anbindung zu den umliegenden Ländern. Neben Flügen gibt es auch Busunternehmen die nach Chile, Peru oder Bolivien fahren.
Bariloche gilt im Winter als Skiparadies. Das winterliche Wetter beginnt bereits im März und hält ein dreiviertel Jahr an.
Mehrtagestouren im Zelt sollten nur im Hochsommer durchgeführt werden. Hüttentouren sind das ganze Jahr über möglich!
Empfehlung
El Boliche de Alberto- Ein Steakhouse das keine Wünsche offen lässt.
Wohnung geführt mit Herz von Christian und Sergio
Hoffentlich habt ihr euch schon wieder warm gelaufen…….Danke für die tollen Bilder und LG Einen schönen Aufenthalt in Santiago und viele wunderbare Eindrücke